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Mahlfeier - Einladung zum Festmahl

Mahlfeier - Einladung zum Festmahl


"Liebe Schwestern und Brüder!

 

Ich hatte einen Traum.

 

Mir hat geträumt, ich sei im Himmel. Anlass war die Einladung zu einem festlichen Essen. Der Gastgeber und Hausherr war Gott persönlich, ich kenne ihn vom Hörensagen. Da geh ich halt mal hin und schau mir das an, habe ich gedacht.

Da sehe ich sicher viele Bekannte aus meiner Gemeinde.

 

Pünktlich zur angegebenen Stunde treffe ich ein und werde vom Hausherrn selbst begrüßt und hineingeführt in einen großen Saal. Ein langer Tisch steht dort, festlich gedeckt, mit Blumen und vielen Kerzen. Es ist eine wunderbare Atmosphäre. Leise Musik spielt im Hintergrund.

 

Der Gastgeber führt mich an meinen Platz. Es ist alles bereit, sagt er, wir warten nur noch auf die anderen Gäste. Ich setze mich. Der Gastgeber entschuldigt sich und entfernt sich, um neue Ankömmlinge zu begrüßen. Ich nutze die Gelegenheit, mich umzuschauen. Es sind noch nicht viele Gäste da. Ich suche, ob ich vielleicht ein bekanntes Gesicht sehe.


Ach ja, dort vorne links sitzt jemand, der mir bekannt vorkommt. Es ist der Nachbar, der sonntags immer sein Auto wäscht, zur besten Kirchgangs - Zeit. Darüber hab ich mich doch schon des Öfteren geärgert. Was der hier will?

Ich schaue weiter. Da vorne sitzt einer von den Jugendlichen, die immer so furchtbar angezogen sind und überall Piercings tragen.

Noch weiter vorne sitzt ein Flüchtling, ein Schwarzer.

Na ja denke ich, schau mal nach rechts, vielleicht ist da jemand, den du kennst.

Ich schaue also nach rechts und entdecke da eine Dame, ihr Gesicht kenne ich aus der Zeitung, aus der Esoterikecke, Horoskope und so. In der Kirche habe ich sie noch nie gesehen.


Da hat der Gastgeber ja tolle Typen eingeladen, denke ich.


Ein, zwei Bekannte aus meiner Gemeinde sind inzwischen auch eingetroffen und vom Hausherrn zu ihren Plätzen geführt worden. Wir nicken uns freundlich zu. Ich frage mich, wo die anderen sind. Dann sehe ich noch einen stadtbekannten Trunkenbold  dort sitzen, und ganz am Ende der Tafel eine Frau mit etwas zweifelhaftem Ruf, sie wissen schon. Der Gastgeber führt alle an ihre Plätze, ist zu allen gleich freundlich und nett. Schließlich geleitet er noch einen Knastbruder und einen Sandler zum Tisch.

 

Da reicht es mir. Ich wende mich an den Gastgeber und frage ihn? “Was machen all diese Leute hier? Wer hat sie eingeladen? “


Der Gastgeber sieht mich an und sagt: “Ich habe sie eingeladen. Ich habe alle eingeladen an meinen Tisch. Die, die gekommen sind, die haben die größte Sehnsucht. Sie haben nichts, sie haben auch nichts zu erwarten, sie setzen all ihre Hoffnung auf mich. Sie kommen, weil sie wissen, dass sie sich an meinem Tisch satt essen können. Ich habe sie eingeladen, weil sie am bedürftigsten sind. In meiner Nähe leiden sie keinen Mangel mehr.“


Und wo sind all die Gläubigen, wo sind die Frommen?" frage ich. "Sind sie nicht eingeladen?”


Der Gastgeber lächelt freundlich. “Doch, sie sind auch eingeladen, mitzufeiern. Aber ich fürchte, sie haben etwas Besseres oder Wichtigeres zu tun. Und die Sehnsucht, die haben sie meist schon verlernt.”

 

“Welche Sehnsucht?” frage ich.


 “Die Sehnsucht nach Heil und Geborgenheit, nach Frieden und Freiheit. Die Hoffnung auf eine gerechtere Welt, auf ein menschenwürdiges Dasein für alle, diese Sehnsucht haben sie oftmals verloren oder sie suchen an der falschen Stelle. Oder sie glauben, sie brauchen das alles nicht, sie schaffen alles selber. Eher resignieren sie, als dass sie meiner Einladung Folge leisten würden.”

 

Jetzt hält es mich nicht mehr auf meinem Stuhl. Ich stehe auf und sage zum Gastgeber: “Entschuldige, ich muss noch mal weg. Ich muss meine Leute holen.

Anscheinend habe ich an ihnen vorbeigepredigt. Vielleicht haben sie mich nicht verstanden. Ich muss sie überzeugen, zu kommen. Oder noch besser: Kannst du nicht mitkommen und sie holen?”

 

Der Gastgeber sagt: “Nein, ich gehe nicht mit, solange die da keinen Platz bei euch haben.” Und er zeigt auf die, die er von der Straße geholt hat.

 

In diesem Augenblick bin ich erschrocken aufgewacht. Was hatte Gott da gesagt? „Ich gehe nicht mit, solange die da keinen Platz bei euch haben?“ Der Satz hat mich nicht mehr losgelassen.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

“Ich gehe nicht mit, solange die da keinen Platz bei euch haben.”

Wie sieht es aus bei uns?

Ich sehe Sie hier sitzen. Sie haben die Einladung zur Mahlfeier angenommen und sind gekommen. Ein jeder, eine Jede mit seiner eigenen Erwartung. Mit Hoffnung vielleicht, dass da etwas für sie dabei sein könnte, mit Sehnsucht nach mehr als allem. Egal, sie sind da. Das ist schön.


Aber fehlen da nicht noch welche? Ich sehe leere Plätze. Und sonntags in unseren Kirchen, auch viele leere Plätze. Sind wir nicht einladend genug? Sind wir als Christen nicht glaubwürdig genug? Da müssen wir dranbleiben. Darüber müssen wir uns Gedanken machen.


“Die da“, die von den Hecken und Zäunen, die sind nicht hier. Kaum einer verirrt sich zu uns. Wenn es nun wirklich so wäre, dass Gott nicht kommt, solange wir keinen Platz für “die da” haben? Dann hätten wir ein Problem.

 

Das große Gastmahl, zu dem Gott uns einlädt, findet nicht irgendwann einmal am Ende der Zeiten statt, sondern heute. An der Tür hängt kein Schild mit der Aufschrift: Geschlossene Gesellschaft, sondern dort steht: Herzlich willkommen!

Es findet auch nicht irgendwo statt, sondern hier bei uns, in der Gemeinschaft untereinander, im Hören seines Wortes, im Teilen von Brot und Wein. Diese Mahlfeier ist schon ein Stück des Himmelreichs. Hier will Gott mit uns ein Fest feiern, er ist schon unter uns, und er erwartet, dass wir die Freude und die Liebe, die wir an seinem Tisch erfahren dürfen, weitergeben, mitnehmen in unseren Alltag, auf die Straßen und Gassen, in unsere Familien, an unseren Arbeitsplatz, an die Hecken und Zäune.


Dass wir glaubwürdig leben als Christen, offen für alle, die hereinkommen, einladend für die, die zögern und zweifeln. Dass wir Menschen ansprechen und mitbringen, dass wir uns vor den Problemen, die sie haben, nicht scheuen, dass wir tolerant und großzügig sind und uns freuen über jeden, der kommt. Gott ist bei uns, wenn wir feiern, aber ein wirkliches Fest wird es erst, wenn wir die am Rande zu uns hereinholen. Denn  „Die da“ von den Hecken und Zäunen, das sind doch eigentlich wir, mit unserem je eigenen Mangel, mit unserer je eigenen Bedürftigkeit. Der Tisch ist für uns alle gedeckt, es ist alles bereit, es ist Platz für alle da.


Gott nötigt uns zu kommen, weil wir ihm wichtig sind. Vor ihm ist niemand reich, besser oder schlechter, würdig oder unwürdig, wir leben alle aus seiner Güte, jeden Tag.

 

Amen."





ev. Pfarrerin iR Mag. Barbara WEDAM

Predigt am 29.09.2024 in Gaißau

zu Lk 14,15-24



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